
Mein Freiwilligendienst in Uganda
Für mich war schon länger klar, dass ich nach meinem Abitur Auslandserfahrung sammeln möchte. Daher habe ich vor neun Monaten meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst im Rahmen des Sports in Mukono, Uganda, begonnen.
Durch meine Fußballtrainer hatte ich vom Programm „weltwärts“ und dem ASC Göttingen 1846 e.V., meiner Entsendeorganisation, erfahren. Dieses bietet jungen Erwachsenen die Möglichkeit, soziale Projekte im Rahmen des Sports im Ausland zu absolvieren.
Am 22. August 2024 begann für mich die Reise in ein Abenteuer – ein Jahr, das mich in vielerlei Hinsicht geprägt hat und weiterhin prägt.
Im Rahmen meines Freiwilligendienstes arbeite ich aktuell an drei verschiedenen Schulen. Zudem bin ich an der Msingi Soccer Academy tätig, die Kinder und Jugendliche über den Fußball fördert und bildet und ihnen den Weg in ein selbstbestimmtes, perspektivreiches Leben ebnet.
Ziel meiner Arbeit ist es nicht nur, sportliche Grundlagen zu vermitteln, sondern auch soziale Kompetenzen wie Teamgeist, Fairness, Disziplin und Selbstvertrauen zu stärken.
Zwischen Alltag und Herausforderungen
Der Alltag hier ist vielfältig: Vormittags gestalte ich mit drei anderen Freiwilligen den Sportunterricht an Grundschulen. Nachmittags arbeite ich an vier Tagen bei den Trainingseinheiten der Fußballakademie mit. Jede Schule, jede Klasse und jedes Training ist anders – das erfordert ein hohes Maß an Flexibilität.
Besonders herausfordernd war es zu Beginn mit den begrenzten Ressourcen, wie Sportmaterialen oder zu großen Klassen, zurechtzukommen. Doch genau hierin lag auch eine wertvolle Lektion: Kreativität und Improvisation.
Ein zentrales Lernfeld war für mich auch der interkulturelle Umgang – insbesondere im Hinblick auf Pünktlichkeit, Kommunikation und die Gestaltung von Abläufen. Vieles, was ich anfangs als unstrukturiert oder unzuverlässig empfand, war oftmals auf äußere Umstände zurückzuführen.
Ich lernte zu schätzen, dass Effizienz oder Struktur nicht immer an erster Stelle stehen müssen und es in Ordnung ist, dass nicht immer alles einem klaren Plan folgt. Vielmehr habe ich gelernt, dass Flexibilität und Gelassenheit genauso bedeutsam sind.
Privilegien und das Bewusstsein für andere Lebensrealitäten
Erst hier wurde mir wirklich bewusst, wie sehr Herkunft darüber entscheidet, welche Chancen einem im Leben offenstehen – und wie ungleich diese verteilt sind. Ich habe sehr viele Kinder sowie Erwachsene kennengelernt, die ihre Community aufgrund fehlender finanzieller Mittel noch nie verlassen konnten.
Dagegen ist es für mich als 20-Jähriger weißer Deutscher selbstverständlich, für meine eigenen Fußballspiele am Wochenende weite Strecken, auch in entfernte Städte, zurückzulegen. Darüber hinaus konnte ich auch schon in vielen Ländern Europas Urlaub machen.
Ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst ist keine einfache Hilfeleistung. Je länger ich hier bin, desto klarer wird mir, wie vielschichtig die Dynamiken sind:
- Machtungleichgewichte: Freiwillige aus dem Globalen Norden betreten Räume, die historisch von Kolonialismus und Abhängigkeit geprägt sind. Ohne kritische Selbstreflexion besteht die Gefahr, diese Strukturen – unbeabsichtigt – zu reproduzieren.
- Gefühl der Überlegenheit: Viele Freiwillige kommen in Länder des globalen Südens mit dem Wunsch zu helfen. Dabei haben sie trotz weniger Lebenserfahrung oft das Gefühl, es besser zu wissen und es kann dazu kommen, dass sie die Bedürfnisse der Menschen vor Ort übergehen.
- Kurzfristigkeit: Da die Freiwilligen jedes Jahr wechseln, kann die Nachhaltigkeit bzw. Langfristigkeit verloren gehen. Ein Jahr reicht nicht aus, um tiefgreifende Veränderungen zu bewirken.
Aber: Ein Freiwilligendienst kann sinnvoll sein, wenn er bewusst gestaltet wird.
Es wäre vermessen zu glauben, ich könnte in einem Jahr grundlegend helfen oder nachhaltige Veränderungen anstoßen. Vielmehr sehe ich meine Aufgabe darin, gegenseitiges Lernen zu ermöglichen.
Für mich bedeutet das: Es nicht besser wissen zu wollen, sondern zuzuhören. Hilfe ist nur dann angebracht, wenn es sich um tatsächliche Mitarbeit auf Augenhöhe handelt, mit Respekt für lokale Realitäten und Verantwortung in Hand der lokalen Akteure und Akteurinnen, die nicht jedes Jahr wechseln.
Ich sehe eine große Chance darin, Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen, voneinander zu lernen, globale Zusammenhänge zu erkennen – und das eigene Leben und Handeln in Deutschland zu hinterfragen. Ein gelungener Freiwilligendienst endet meiner Meinung nach nicht mit dem Rückflug.
Er verpflichtet zur Weitergabe der Erfahrungen, zur kritischen Bildungsarbeit in Deutschland und zur solidarischen Mitgestaltung einer gerechteren Welt. Wer ein Jahr im globalen Süden gelebt hat, hat eine Verbindung zu den Menschen dort geschaffen. Diese Brücke kann z. B. durch die Mitarbeit in Fördervereinen oder NGOs, sowie der Pflege von Kontakten weiter aufrecht erhalten werden.
Was bleibt – und was ich mitnehme
Ich habe viel über den Kontext erfahren, in dem die Kinder hier aufwachsen – über Bildungsbarrieren und soziale Herausforderungen. Ich lernte auch über ihre beeindruckende Widerstandsfähigkeit, Kreativität und Lebensfreude, etwas neu aufzubauen oder anderen Menschen etwas Gutes zu tun, obwohl sie selbst nur wenig haben.
Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen bei der Msingi Soccer Academy und an den Schulen hat mir gezeigt, wie kraftvoll Sport als Werkzeug für Bildung und Persönlichkeitsentwicklung sein kann.
Aber sie hat mir auch gezeigt, wie komplex und vielschichtig entwicklungspolitisches Engagement wirklich ist – und dass es nicht darum geht, Lösungen zu bringen, sondern Beziehungen zu bauen, zuzuhören, Verantwortung zu übernehmen und auch wieder loszulassen. Oft sind es kleine Schritte die wirklich zählen und einen positiven Einfluss haben können, wie ein motivierendes Gespräch, ein strukturiertes Training, ein ermutigendes Wort.
Eines der wertvollsten Learnings meiner bisherigen Zeit in Uganda ist es, andere Lebensrealitäten kennenzulernen. Mein Alltag hier ist von ganz anderen Bedingungen geprägt als der in Deutschland. Durch diese Unterschiede habe ich neue Perspektiven gewonnen und mir ist gleichzeitig bewusst geworden, wie viel ich als selbstverständlich angesehen habe. Dieser Perspektivenwechsel hilft mir, nun besser Verantwortung zu übernehmen und bewusster mit meinen eigenen Privilegien umzugehen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Ich werde meine letzten zwei Monate hier weiterhin dafür nutzen, Beziehungen zu verfestigen, Projekte gemeinsam mit lokalen Partnern zu stärken und das Gelernte langfristig mit nach Hause zu nehmen.
Abschließend möchte ich ein herzliches Dankeschön dafür aussprechen, dass die STRATMANN STIFTUNG und der Rotary Club Hannover-Leineschloss meinen Freiwilligendienst möglich gemacht haben. Durch ihre Unterstützung haben sie dazu beigetragen, dass entwicklungspolitischer Austausch lebendig, reflektiert und nachhaltig gestaltet werden kann.