19 Mär2014
"Ich will Therapeutin werden!"
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Aber es gibt sie: Die Entschlossenen. Das Ziel fest im Blick nehmen sie scheinbar auch große Hürden spielend. Wie Kira-May. Der gewünschte Studiengang "Soziale Arbeit" ist in Deutschland nicht zu bekommen? Sie geht in die Niederlande. Der Sprachkurs dort fängt leider erst im nächsten Semester an? Sie nimmt den Unterrichtsstoff trotzdem auf und lernt holländisch nebenbei. Oder andersrum.
"Die Sprache ist der Deutschen schon ähnlich" sagt sie, als wir nach ihrem erstaunlichen Lebenslauf fragen. "Die Grammatik ist fast dieselbe, fehlen nur die Vokabeln". Nur! Woher der Antrieb kommt, lässt sich nicht genau erkennen. Sie wirkt nicht müde oder getrieben von den zuweilen widrigen Anforderungen des Lebens. Im Gegenteil: Sie lacht oft und herzlich und freut sich, dass wir uns für dieses scheinbar mühelose Gelingen interessieren. Selbstsicher kommt bei ihr von selbstverständlich.
"Ich habe zwölf Mal die Woche trainiert."

Sie verrät uns ihr Geheimnis: "Ich habe zwölf Mal die Woche trainiert. Irgendwann kamen die Erfolge und dann hört man damit nicht so schnell auf." Ganz einfach. Wieder einmal. Sind auch nur 120 Trainings-Kilometer pro Woche. Neben der Schule. 2007 wird sie Norddeutsche Meisterin über 200 Meter Rücken in ihrer Altersklasse. Die lokale Zeitung schreibt seinerzeit, dass sie auf Kreis- und Bezirksebene quasi konkurrenzlos ist. Ihr Einsatz zahlt sich aus.
Auch in Holland: "Ich hatte dort das Fünffache an Prüfungen zu absolvieren. Das macht einen psychisch kaputt, wenn man morgens aufwacht und schon weiß, dass man 12 Stunden Uniprogramm vor sich hat. Und weil die Wintersemesterferien wegfallen, hast du das ganze Jahr nie den Kopf frei, es ist immer was zu tun." Nach drei Semestern reicht es. Sie will an eine deutsche Hochschule wechseln. Und entscheidet sich für Hannover. Glücklicherweise werden über 80 Prozent der gesammelten Credits anerkannt. Der Umweg hat sich gelohnt.
"Ich möchte auch mein Hobby in die Arbeit einbringen."

Hat aber auch seine guten Seiten: "Ich kann wieder mehr Sport machen und mich bewegen". Und die Augen glänzen erneut. Man merkt: Das ist ihr Totem und mit Abstand das Beste was einem passieren kann: Bewegung. Sie bekommt bei ihren ersten beruflichen Einsätzen im Therapieumfeld mit, wie gut Bewegung den Anderen tut.
Deshalb soll daraus ihr Beruf werden: "Ich will Therapeutin werden. Also mit Musik und Bewegung therapieren. Soziale Arbeit war lange mein Traum, aber ich merke, das erfüllt mich nicht komplett. Ich möchte auch mein Hobby in die Arbeit einbringen". Dafür geht sie nach Heidelberg. Nach dem Bachelor. Ziel dort: Der Master in Tanz- und Bewegungstherapie.
Doch bevor es soweit ist, bleiben noch zwei Semester in Hannover. Und ein zweimonatiges Praktikum, welches sie nachzuholen hat. In Holland war dies nicht gefordert und ihre deutschen Kommilitonen sind damit schon fertig. "Durch die Dauer meiner Auslandsstudienzeit war es etwas schwierig eine Stelle zu bekommen, aber nun habe ich meine Aufgabe bei der Tagesbetreuung einer therapeutischen Wohngruppe im Stefansstift gefunden", erzählt sie mit einer Spur von Erleichterung.
"Bewegung setzt unheimlich viel in der Psyche frei."

Sie begleitet ihre Mutter auch zur Familienhilfe. Dort ist es zwar interessant, aber "es braucht sehr lange bis man eine Folge sieht." sagt Kira-May mit fachfraulichem Vokabular. Dieses Anzeichen der Ungeduld offenbart, dass sie erst 23 ist. Hätten wir fast vergessen. Sie ergänzt: "Mein Freiwilliges Soziales Jahr habe ich im Taubblindenzentrum Hannover gemacht. Man bekommt in diesem Beruf so unheimlich viel zurück."
Wir fragen nach und ihre Antwort lässt die Lebenslust aus jeder Pore strömen: "Welcher Mensch bewegt sich nicht gern? Hört nicht gern Musik?" Wir schauen sie achselzuckend an, während sie weiter schwärmt: "Ich merke das immer wieder, gerade bei Menschen mit Behinderungen. Wenn man da Musik anmacht, fangen alle an zu tanzen. Die können nicht still sitzen."
Stimmt. Musik mag jeder gern. Wir geben zu gerne im Auto zu singen oder einfach so zu tanzen. Unsere Alltagstherapie für zwischendurch. Sie analysiert diese Bekenntnisse exakt: "Ich glaube, dass Bewegung unheimlich viel in der Psyche freisetzt." Stimmt wieder. Wer singt und tanzt, bekommt gute Laune.
Später möchte sie vielleicht noch eine Zusatzausbildung als Musiktherapeutin anschließen, "aber soweit bin ich noch nicht", sagt sie und wiederholt stellen wir fest: Selbstsicherheit ist selten. Vor allem bei der Berufswahl. Aber es gibt sie: Die Entschlossenen.